Die ganze Wahrheit kann heute niemand von mir erwarten, denn ich hab nicht alles gesehen. Das erste Mal seit einem fast vergessenen Spiel gegen Kaiserslautern, irgendwann in den 80er Jahren, habe ich es nicht pünktlich ins Stadion geschafft. Europa League, Anstoß werktags 19h. So kurz nach der Mittagspause war es offensichtlich nicht nur für mich schwierig, rechtzeitig ins Niedersachsenstadion zu kommen. Die Traube Menschen, die sich ungewöhnlicher Weise unmittelbar vor dem Anpfiff dieses doch so herbeigesehnten Europapokalspiels bildete, lässt das vermuten. Vielleicht haben aber auch nur alle diejenigen, die noch um zwei Minuten vor sieben vor den Toren standen, ihre im Internet bestellten Karten gerade erst per Last-Minute-Zustellung erhalten. Bei mir war das nicht so. Meine vor Wochen online bestellten Eintrittskarten lagen rechtzeitig heute Mittag in meinem Briefkasten!
Sollte sich also in den ersten drei Minuten ein schwungvolles, angriffsfreudiges, kombinationssicheres, engagiertes, von kämpferischer Einstellung geprägtes, chancenreiches Fußballspiel zugetragen haben, ich hätte es verpasst. Allerdings legte die Atmosphäre im Stadion seit meiner Ankunft, also ab Minute vier, diesen Verdacht nicht gerade nahe. Wo war die Gänsehautstimmung aus dem Play-off gegen Sevilla? Wo das überschäumende Spiel unserer Roten? Wo das frühe Tor? Was war überhaupt mit dem ersten richtigen Europapokal-Tor unserer Roten? Genau, das fällt auswärts, in der Ukraine, in genau zwei Wochen!
Sonst noch was? Na klar, unsere Roten haben den allerersten Europapokal-Punkt in der Vereinsgeschichte geholt. Uns trennt nur ein einziges Törchen von der Tabellenführung in der Europa-League-Gruppe-B. Der Tabellenplatz in der Bundesliga ist einstellig und von den bereits neun Pflichtspielen dieser Saison ging lediglich eines verloren. Wer hätte das gedacht, vor 16 Monaten, in Bochum, am letzten Spieltag?
(Von: Meik Friedrich)